Wenn es um den Grad der Digitalisierung in Deutschland geht, klaffen die Meinungen meistens stark auseinander. Das liegt unter anderem daran, weil jeder Mensch andere Vorstellungen von der Digitalisierung hat. Deshalb lässt es sich gar nicht so genau beschreiben, wie der aktuelle Stand tatsächlich ist.
Es gibt beispielsweise einige Unternehmen, für die der digitale Wandel darin besteht, dass sie eine eigene Webseite betreiben und für Kunden per E-Mail erreichbar sind. Anderen Unternehmen geht es jedoch darum, Geschäftsprozess von der Auftragserteilung bis zur Fertigstellung und Abrechnung auf digitaler Weise durchzuführen.
Was gehört grundsätzlich zur Digitalisierung?
Die entscheidende Frage lautet, was alles zur Digitalisierung gehört. Ist es das papierlose Büro oder eine Werkzeugmaschine, die mittels CNC-Technik vom Computer aus betrieben wird? Grundsätzlich gehören zu dieser Thematik folgende Punkte:
- Ausbau der Breitbandversorgung
- Nutzung von Clouddiensten
- Automatisierung von Geschäftsprozessen
- Homeoffice
- Homeschooling
- Künstliche Intelligenz
- Digitalisierung von behördlichen Angelegenheiten
Bei dieser Aufzählung handelt es sich lediglich um einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Themen, die zur Digitalisierung gehören. Aufgrund dieser vielfältigen Bereiche wird es schwer, genaue Ziele der Digitalisierung zu definieren. Es gibt jedoch einige Branchen, in denen der digitale Wandel bereits große Fortschritte erzielt hat. Doch dazu später mehr Details. Zunächst sollte geklärt werden, warum es um die Digitalisierung in Deutschland derzeit noch nicht so gut steht wie in den meisten anderen Ländern.
Großer Nachholbedarf im Bereich der Infrastruktur
Damit eine flächendeckende Digitalisierung in allen Bereichen Einzug halten kann, muss zunächst eine leistungsfähige Infrastruktur geschaffen werden. In diesem Bereich hapert es an vielen Ecken und Kanten. Beispielsweise befindet sich der Glasfaserausbau noch am Anfang. In einigen Großstädten sieht es zwar schon recht gut aus, aber auf dem Land ist ein schnelles Internet noch Mangelware. Nur etwa 20 Prozent aller Bewohner in ländlichen Regionen verfügen über einen brauchbaren Internetzugang. Es gibt sogar einige abgelegene Gebiete, in denen noch nicht einmal ein DSL-Zugang möglich ist.
In anderen Gebieten, in denen DSL verfügbar ist, beträgt die Übertragungsgeschwindigkeit meistens nicht mehr als 6 Mbit/s. Zum einfachen Surfen reicht es zwar, aber auf keinen Fall zur Umstellung auf die Digitalisierung. Zudem steht die maximale Bandbreite nicht permanent zur Verfügung. Mittlerweile steht fest, dass nur etwa 10 Prozent aller Internetnutzer die für ihren Standort verfügbare Bandbreite nutzen können.
Noch dramatischer ist es beim mobilen Internet. Dieses ist eine wichtige Voraussetzung für autonomes Fahren sowie für die ganz normale Nutzung von Webservices. Allerdings gibt es in Flächenländern zumeist nur eine 3G-Verbindung. Teilweise ist auch schon 4G verfügbar, aber dann nur von wenigen ausgewählten Anbietern. Das Problem besteht darin, dass die Genehmigungsverfahren für die Aufstellung von Mobilfunkmasten sehr aufwendig sind. Deshalb denken die Betreiber gar nicht daran, ihre Masten für andere Anbieter zur Verfügung zu stellen.
Digitalisierung in den einzelnen Branchen
Die größten Fortschritte beim digitalen Wandel gibt es im Bereich der Logistik sowie in der Landwirtschaft. In der Logistik werden Wareneingänge elektronisch erfasst. Bei einer erforderlichen Zwischenlagerung arbeiten die Gabelstaplerfahrer oftmals schon mit Virtual Reality. Sie brauchen daher gar nicht mehr zu kontrollieren, welche Artikel sich auf den jeweiligen Paletten befinden. Beim Entladen der Lkws sehen sie auf ihrer Brille, wo die Palette abgestellt wird. Zudem kann jederzeit nachverfolgt werden, wo sich eine Warensendung aktuell befindet. Aufgrund dieser modernen Möglichkeiten werden Leerfahrten nahezu ausgeschlossen. Dadurch werden nicht nur Zeit und Kraftstoff gespart. Es ist auch ein großer Gewinn für die Umwelt.
In der Landwirtschaft ermitteln Erntemaschinen, welche Mengen in welchen Bereichen geerntet werden. Diese Daten werden in der Cloud gespeichert. Bei der nächsten Aussaat ruft die Sämaschine die Daten ab und sät in den schwächeren Bereichen des jeweiligen Feldes etwas mehr. Der Düngerstreuer erkennt es ebenfalls und erhöht dort automatisch die Menge. Auf diese Weise wird ein optimaler Ernteertrag erzielt, ohne dass es zu einer überflüssigen Überdüngung kommt. Allerdings sind solche Möglichkeiten nur dort vorhanden, wo es eine leistungsfähige mobile Datenübertragung gibt.
Digitalisierung der Verwaltungen
Ein weiteres wichtiges Gebiet ist die Digitalisierung von Behörden und Verwaltungen. Dazu gibt es mittlerweile das OZG. Das ist die Abkürzung für Onlinezugangsgesetz. Da sich wahrscheinlich kaum jemand etwas darunter vorstellen kann, wird eine kurze Erklärung hilfreich sein. Die offizielle Bezeichnung lautet: Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen. Dieses besagt nichts anderes, als dass sowohl der Bund als auch die einzelnen Bundesländer Verwaltungsleistungen über elektronische Portale anbieten sollen. Dieser Vorgang soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
Es geht dabei um 575 Verwaltungsleistungen, die online zur Verfügung gestellt werden müssen. Damit sollten folgende Verbesserungen eintreten:
- Einfache Antragserstellung
- Kurze Bearbeitungszeit
- Steigerung der Effizienz
- Einsparung von Kosten
Für die Bürger ist es ein großer Vorteil, wenn sich behördliche Angelegenheiten online erledigen lassen. Es beginnt schon damit, dass nicht für jede Angelegenheit ein Besuch in der Verwaltung erforderlich wird. Da die Besuchszeiten zumeist identisch mit den Arbeitszeiten sind, müssen manchmal sogar Urlaubstage geopfert werden, weil ein Amt oder eine Behörde aufgesucht werden muss. Zudem erspart sich jeder Mensch Fahrkosten.
Für die Mitarbeiter in den Behörden ist es ebenfalls vorteilhaft, wenn sich dort nicht ständig Besucher aufhalten und ihre Angelegenheiten erledigt haben möchten. In zahlreichen anderen Ländern, insbesondere im skandinavischen Raum, ist es schon seit vielen Jahren üblich, dass derartige Vorgänge online abgewickelt werden.
Wie sollen behördliche Angelegenheiten digitalisiert werden?
Inzwischen hat schon fast jede Behörde eine Webseite. Darauf sind meistens jedoch nur formale Informationen wie die Anschrift und die Öffnungszeiten zu sehen. In wenigen Fällen gibt es auch schon Formulare, die zum Download bereitstehen und ausgefüllt wieder auf dem Postweg zur Behörde geschickt werden müssen. Zukünftig sollte es jedoch möglich sein, solche Formulare online auszufüllen und direkt abzuschicken. Dazu muss sich der Antragssteller jedoch auch digital legitimieren können. Wie die Legitimation umgesetzt werden soll, wird derzeit noch geprüft.
Es gibt jedoch noch viele weitere Voraussetzungen, die zuvor geprüft und auch umgesetzt werden müssen. Das Bundesinnenministerium führt die Digitalisierung der Ämter und Behörden durch und regelt daher auch alle erforderlichen Angelegenheiten. Zu den Aufgaben gehört es aber auch, dass die Nutzung der digitalen Behördengänge für jeden Bürger möglich sein sollen. Deshalb soll zeitnah auch der Ausbau des schnellen Internets in ländlichen Regionen forciert werden.
Warum ist die Digitalisierung so wichtig?
Es gibt viele Menschen, die den digitalen Wandel mit großer Skepsis sehen. Sie befürchten eine totale Überwachung. Doch derartige Befürchtungen sind nicht begründet. Ein wesentlicher Grund für das langsame Voranschreiten der Digitalisierung besteht darin, weil gleich von Beginn an auf den Datenschutz geachtet wird. In einigen anderen Staaten spielt der Datenschutz nicht eine solch große Rolle wie in Deutschland. Deshalb gab es vielerorts schnellere Fortschritte.
Ohne erfolgreiche Digitalisierungsmaßnahmen sind deutsche Unternehmen jedoch bald abgehängt. Um dauerhaft im Bereich der globalen Wirtschaft eine Rolle spielen zu können, müssen Unternehmen unbedingt möglichst viele Vorgänge digitalisieren. Das gilt nicht nur für große Industriekonzerne, sondern auch für KMU sowie für jeden Handwerksbetrieb. Damit auch schon der Nachwuchs die Vorteile und Gefahren der Digitalisierung kennenlernt, ist auch ein digitaler Wandel im Schulunterricht eine wichtige Angelegenheit.
Durch die Digitalisierung lassen sich sowohl bei der Planung als auch bei der Herstellung von Produkten aller Art hohe Kosten sparen. Für Unternehmen bietet der digitale Wandel ein sehr gutes wirtschaftliches Potenzial. Einsparungen können in folgenden Bereichen auftreten:
- Energie
- Kraftstoff
- Personal
Fazit
Die Digitalisierung ist in Deutschland noch lange nicht auf dem gleichen Niveau wie in den meisten anderen Staaten. Der wichtigste Grund für diesen Rückstand liegt in der fehlenden Infrastruktur. Durch das Onlinezugangsgesetz sollte diese jedoch bald deutlich leistungsfähiger sein.